Inside IS - 10 Tage im Islamischen Staat by Juergen Todenhoefer

Inside IS - 10 Tage im Islamischen Staat by Juergen Todenhoefer

Autor:Juergen Todenhoefer [Todenhoefer, Juergen]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: C Bertelsmann
veröffentlicht: 2015-04-26T16:00:00+00:00


7 Alawiten

8 Kurdisch: Yekîneyên Parastina Gel (Volksverteidigungseinheiten)

VIII

Reise in den »Islamischen Staat«

Grobe Skizzen eines Albtraums

Die Würfel waren gefallen. Es gab kein Zurück mehr. Sieben Monate hatte ich jeden Tag mit mir gerungen. War mein Plan, den »Islamischen Staat« zu bereisen, verantwortbar? Fast täglich sah ich neue barbarische Grausamkeiten des IS oder las darüber. Vor dem Einschlafen hatte ich oft die Empfindung, jemand fahre mir mit der stumpfen Seite eines Messers über die Kehle. Meist stand ich dann auf, ging an das Fenster im Wohnzimmer und starrte in die Nacht. Würden wir zurückkehren? Was war das Wort dieser Terroristen wert? Von irakischen Freunden in Anbar wusste ich, dass es Verhandlungen mit dem IS gegeben hatte. Mit der ausdrücklichen Zusicherung freien Geleits. Niemand aus der Delegation der sunnitischen Stämme kehrte jemals zurück.

Auf der anderen Seite war meine Neugier, die Wahrheit über den IS herauszubekommen, groß. Diese Neugier nach der Wahrheit hatte mich mein ganzes Leben lang angetrieben. Durch die Skype-Gespräche und die Garantie des Kalifats war eine Situation geschaffen worden, in der unsere Gefangennahme oder unser Tod auch dem IS geschadet hätte. Er wollte als Staat ja ernst genommen werden. Außerdem, so merkwürdig es klingt: Ich vertraute Abu Qatadah. Ich vertraute der positiven Seite, die es auch bei ihm gab. Oder einmal gegeben hatte.

Am meisten bedrückte mich, dass mein 31-jähriger Sohn bei diesem Harakiri-Unternehmen dabei war. Die ganze Familie hatte mich angefleht, ihn nicht mitzunehmen. Er wäre, wenn mir etwas passiert wäre, der einzige Mann in der Familie gewesen. Die brauchte ihn. Vor allem seine jüngste Schwester Nathalie. Sie ist ein bildhübsches Mädchen. Doch unsichtbar hängt über ihr das Damoklesschwert ihrer Multiple-Sklerose-Erkrankung.

Als ich Frederic am Tag vor unserer Abreise noch einmal bat, doch bei der Familie zu bleiben, antwortete er: »Du weißt, ich bin gegen diese Reise. Total. Wenn man dich umbringt, hast du alles zerstört, wofür du jahrzehntelang gekämpft hast. Für Respekt vor der muslimischen Welt. Man wird deinen Tod als Beweis sehen, wie sehr du dich geirrt hast. Die Reise ist Wahnsinn.«

»Vielleicht«, sagte ich. »Und deshalb bitte ich dich hierzubleiben.«

Frederic schaute mich zornig an: »Ich lass dich da nicht alleine hin. Wir ziehen das jetzt gemeinsam durch. Wenn du heimlich abreist, kappe ich alle deine Internet- und Skype-Verbindungen. Du wirst nichts und niemanden mehr finden. Ich lösche all deine Kontakte.«

Ich war chancenlos. Frederic ließ sich nicht umstimmen.

Natürlich hatte ich für den Fall, dass der IS sein Wort brach, Vorkehrungen getroffen. Ich kenne einige einflussreiche Politiker und Intellektuelle der muslimischen Welt. Schon lange vor unserer Abreise hatte ich Kontakt zu ihnen aufgenommen. Sie hatten mir versprochen, sich im Notfall mit ihren Regierungen in Verbindung zu setzen, die sich dann über ihre Kontakte zum IS, zum Beispiel über irakische Stämme, für uns eingesetzt hätten. Zumindest vielleicht. Auch das Kanzleramt in Berlin würde, sobald ich im »Islamischen Staat« war, schriftlich informiert werden.

Außerdem wusste ich von Einzelkämpfern, dass sie bei gefährlichen Sondereinsätzen oft ein tödliches Medikament bei sich tragen. Bei Gefangennahme und drohender Folter oder qualvoller Hinrichtung setzen sie es ein, um nicht zum Spielzeug sadistischer Mörder zu werden.



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